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Die Emslandlager

Insgesamt gab es 15 Emslandlager in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim, die als Strafgefangenen, Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager genutzt wurden. Hermann Kronemeyer wuchs 500 Meter vom Lager Bathorn entfernt auf.

Französische Kriegsgefangene, Belgische Kriegsgefangene, Lager Bathorn
Französische und belgische Kriegsgefangene im Lager Bathorn, unter ihnen Kolonialtruppenangehörige (1940).

Das Wissen über die Emslandlager füllt ganze Bücher, Dissertationen und Ausstellungen. Daher liegt der Fokus in diesem Artikel auf dem Lager Bathorn und auf weiterführenden Informationen zum Buch.


Liste der Emslandlager


I Börgermoor

II Aschendorfermoor

III Brual-Rhede

IV Walchum

V Neusustrum

VI Oberlangen

VII Esterwegen

VIII Wesuwe

IX Versen

X Fullen

XI Groß Hesepe

XII Dalum

XIII Wietmarschen

XIV Bathorn

XV Alexisdorf


Das Lager Bathorn


Chronik des Lagers Bathorn

​Juni 1938

Fertigstellung des Emslandlagers XIV Bathorn der Justizverwaltung mit einer Kapazität für 1000 Strafgefangene

​Sommer 1938

Abbau von acht Baracken und Transport an den Westwall

bis Mai 1939

Rückholung und Wiederaufbau der Baracken

August 1938

Belegung mit 228 Strafgefangenen

September 1939

Übernahme des Lagers durch das Oberkommando der Wehrmacht als Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) und Bezeichnung als »Stalag VI C Bathorn«

bis Dezember 1939

Durchgangslager für polnische Kriegsgefangene

Mai 1940

Durchgangslager für Kriegsgefangene aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich und den Kolonialtruppen

Mai 1941

Belegung mit jugoslawischen Kriegsgefangenen

August 1941

Belegung mit sowjetischen Kriegsgefangenen

Oktober 1943 bis November 1944

Belegung mit italienischen Militärinternierten

5. April 1945

Befreiung des Lagers durch kanadische Einheiten

Mai 1945 bis Mai 1948

Belegung des Lagers mit ehemaligen polnischen und ukrainischen Zwangsarbeitern (Displaced Persons) und jugoslawischen Kriegsgefangenen

ab Mai 1948

Belegung mit Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten

ab den 1950er Jahren

Teil der Justizvollzugsanstalt Lingen, später Abbruch der Baracken und Errichtung einer Wohnsiedlung

Dem Lager VI C Bathorn waren ab September 1939 die vier Zweiglager Dalum, Groß Hesepe, Alexisdorf und Wietmarschen unterstellt. Genaue Zahlen zu den Kriegsgefangenen im Einzellager Bathorn gibt es nicht, da lediglich Angaben zur Belegung des Lagers VI C Bathorn inklusive der Zweiglager vorliegen. Demnach waren die fünf Lager, die eine Kapazität für bis zu 5.500 Personen aufwiesen, im September 1940 mit 16.552 Gefangenen überbelegt; die höchste Belegung wurde ein Jahr später im September 1941 mit 27.313 Kriegsgefangenen verzeichnet (darunter 11.441 französische und 13.973 sowjetische Gefangene).



Die sowjetischen Kriegsgefangenen


Im Lager Bathorn befanden sich nicht nur Insassen der in der Tabelle genannten Nationalitäten, sondern Menschen aus aller Welt. Die sowjetischen Kriegsgefangenen, die hauptsächlich im Lager XV Alexisdorf untergebracht waren, litten aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie unter einer unmenschlichen Behandlung – auch deshalb, weil die Sowjetunion das Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 nicht unterzeichnet hatte. Nicht zuletzt mussten die sowjetischen Kriegsgefangenen Krankheiten und Hunger über sich ergehen lassen.


Wenn sie das Lager zum Arbeiten verließen, sammelten sie unterwegs Material wie Halme, Pappkarton oder Holz vom Boden auf und nahmen es mit, um daraus im Lager Gegenstände anzufertigen. Zahlreiche kunstvolle Objekte entstanden so im Laufe der Jahre. Oft flochten sie kleine Strohschachteln, sogenannte Russenkörbchen, aus gekonnt ineinander verwobenen Halmen [...]. Die Russen waren wahre Meister ihres Handwerks und beherrschten ihr Talent wie kein anderer. Die Kunstobjekte tauschten sie in günstigen Momenten mit der Bevölkerung gegen ein Stück Brot, Speck oder Kartoffeln.

Aus: Keute 2022: 76.


Russenkörbchen, Lager Alexisdorf, Lager Bathorn
»Russenkörbchen«, hergestellt von einem sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Lager Alexisdorf (ca. 1944).


Erschießung eines sowjetischen Kriegsgefangenen


Zur Erinnerung an die Erschießung eines sowjetischen Kriegsgefangenen, die mein Urgroßvater als Jugendlicher erlebte, wurde im Rahmen der Skulpturenroute »Kunstwegen« in Bathorn ein Mahnmal errichtet, das einen Tatort darstellt. Weitere Informationen sind hier zu finden.



Ermordung einer Zivilistin durch einen sowjetischen Kriegsgefangenen


Im Buch wird die Geschichte beschrieben, wie ein sowjetischen Kriegsgefangener nach einem Fluchtversuch eine Frau tötete (vermutlich, um sein eigenes Leben zu retten). Das folgende Bild zeigt ihn kurz vor seiner Hängung im Lager Alexisdorf.


Sowjetischer Kriegsgefangener vor seiner Hinrichtung im Lager Alexisdorf.
Sowjetischer Kriegsgefangener vor seiner Hinrichtung im Lager Alexisdorf (1941).

Wie der Vorfall in den Schulchroniken von Alexisdorf und Scheerhorn-Berge festgehalten wurde, ist hier nachzulesen.



Die italienischen Militärinternierten


Die Italiener in deutschem Gewahrsam besaßen nicht den Status als Kriegsgefangene, sondern galten als »Militärinternierte«. In einigen Quellen wird davon berichtet, dass sie von den Deutschen als Verräter und von den alliierten Kriegsgefangenen als ehemalige Feinde wahrgenommen wurden, weshalb sie – beiden Seiten ausgesetzt – in der Hierarchie noch unterhalb der sowjetischen Kriegsgefangenen standen. Daher litten auch die Italiener unter schlechten Lebensbedingungen und unzureichender Ernährung, einige von ihnen starben als Folge der Unterernährung an Diphtherie und Lungentuberkulose. Hermann Kronemeyer hingegen widerspricht dem. Er erinnert sich, dass die Italiener in Bathorn anständig behandelt wurden, gute Kleidung besaßen und vernünftiges Essen erhielten. Im »Merkblatt für die Behandlung der italienischen Militärinternierten« steht beispielsweise, dass die italienischen Soldaten nicht für den »Verrat« (den Seitenwechsel der Regierung) verantwortlich gemacht werden sollen; möglicherweise wurde dies regional unterschiedlich umgesetzt, wodurch es Abweichungen bezüglich der Behandlung gegeben haben könnte.


 

Wer sich für die Emslandlager interessiert, dem empfehle ich einen Besuch der Gedenkstätte Esterwegen und die Bücher »Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933–1945«, »Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der Grafschaft Bentheim« und »Lager unterm Hakenkreuz. Reichsarbeitsdienst, Kriegsgefangene und Flüchtlinge in der Grafschaft Bentheim«.


Lager Bathorn, Hoogstede
Der Eingang des Lagers Bathorn (2022). Erhalten geblieben ist die Trafostation.

Quellen:


Bilder: Privatbesitz Hermann Kronemeyer, Norbert Voshaar, Nadeshda Dankowa, Celina Keute.


Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager: Lager XIV Bathorn, [online] https://diz-emslandlager.de/emslandlager/lager-xiv-bathorn/ [letzter Aufruf: 14.06.2022].


Faulenbach, Bernd / Kaltofen, Andrea (Hrsg.) (2017): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933–1945. Göttingen: Wallstein Verlag.


Gander, Michael / Titz, Hubert (2005): Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der Grafschaft Bentheim. Nordhorn: Move-Verlag.


Keute, Celina (2022): Schüsse in der Stille. Hermann Kronemeyers Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Hamburg: Tredition.


Kunstwegen (o. J.): Andreas Kaiser – Zeugen, [online] http://www.kunstwegen.org/index.php?id=149&L=0> [letzter Aufruf: 03.07.2021].


Persönliche Interviews mit Hermann Kronemeyer (2015–2022).


Stadt Nordhorn, Volkshochschule (Hrsg.) (1990): Lager unterm Hakenkreuz. Reichsarbeitsdienst, Kriegsgefangene und Flüchtlinge in der Grafschaft Bentheim. Nordhorn: Stadt Nordhorn, Volkshochschule.

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